Transkription der WikiStammtisch Episode 0007 mit Thomas Planinger mit freundlicher Unterstützung durch Sucomo – Wir machen freies Wissen.
Sebastian Wallroth: Hallo und herzlich willkommen zum neuen Wikistammtisch. Heute zu Gast Thomas Planinger. Hallo Thomas.
00:00:36 Thomas Planinger: Hallo Sebastian, grüß dich.
00:00:38 Sebastian Wallroth: Ja, dann stell dich doch mal bitte vor.
00:00:39 Thomas Planinger: Gerne. Mein Name ist Thomas Planinger. Ich bin 26 Jahre alt, bin, wie man vielleicht an der Stimme hört, Österreicher. Ich komme aus Dornbirn. Das ist ganz im Westen Österreichs, im Bundesland Vorarlberg gelegen. Studiere aber momentan in Wien Wirtschaftsrecht. Wohne also auch den größten Teil des Jahres in Wien. Moment, während der Sommerferien Gott sei Dank nicht. Aber andernfalls bin ich in Wien momentan. Und, ja, ich bin seit 2004 Wikipedia Autor. Also jetzt im zwölften Jahr, habe mit 14 Jahren angefangen Wikipedia zu editieren.
00:01:19 Sebastian Wallroth: Mit 14 Jahren.
00:01:21 Thomas Planinger: 14 Jahren.
00:01:21 Sebastian Wallroth: Okay. Erzähl mal, wie kommt man mit 14 Jahren dazu, zu editieren?
00:01:28 Thomas Planinger: Ja, man findet einen Fehler und verbessert ihn und bleibt hängen. Bei mir war es jetzt konkret ein Fehler im Artikel über meine Lieblingsfernsehserie damals. Was man halt so als 14-jähriger macht.
00:01:40 Sebastian Wallroth: Was war das für eine Serie?
00:01:41 Thomas Planinger: Das war, soweit ich mich erinnern kann „Ein Käfig voller Helden“.
00:01:45 Sebastian Wallroth: Ach so, okay.
00:01:47 Thomas Planinger: Also, ja, die läuft wahrscheinlich nicht mal mehr im Fernsehen.
00:01:52 Sebastian Wallroth: Hattest Du da schon eine Computer Vorgeschichte zu der Zeit?
00:01:55 Thomas Planinger: Ja, ja. Ich habe eine Informatikschule gemacht, war also recht Computeraffin zu der Zeit schon. Wenngleich natürlich jetzt von der Bearbeitung von Artikeln her, sich das in den ersten Jahren nicht niedergeschlagen hat. Da habe ich eher triviales bearbeitet. Und viel natürlich zu Themen, die jetzt mein geographisches Umfeld betreffen. Das merkt man auch hier an meinen ersten Beiträgen.
00:02:24 Sebastian Wallroth: Ja, klar. Also, das ist, glaube ich, für viele ein normaler Einstieg, dass sie Themen editieren, die sie interessieren oder die mit der geographischen Nähe zu tun haben.
00:02:32 Thomas Planinger: Absolut. Ich glaube, das ist auch für jeden irgendwo ein leichter Einstieg, weil man zu dem immer irgendwas schreiben kann, das die anderen noch nicht wissen. Und so war es dann bei mir auch. Ich habe mich dann relativ schnell auf Vorarlberg konzentriert. Was ich heute noch sehr stark tue. Also, meine Beiträge sind nach wie vor sehr stark aus dem Themengebiet hier in der geographischen Umgebung irgendwo angesiedelt. Da kommen auch die Beiträge her, die qualitativ von mir jetzt am besten sind. Also jene Beiträge, bei denen ich als Hauptautor tätig war und die jetzt als exzellent oder lesenswert ausgezeichnet wurden. Beispielsweise mein Artikel über die Dornbirner Ach. Das ist so der lokale Fluss, der durch Dornbirn führt. Der wurde vor mittlerweile auch schon wieder acht Jahren als exzellent ausgezeichnet. Ja, da steckt man halt viel Energie rein und dann kommt man irgendwann drauf, dass es andere Themen auch noch gibt in der Wikipedia. Und das ist ja auch schön. Dass sich da die Interessen dann weiterentwickeln. Auch mit zunehmendem Alter und mit, ich sage mal geistiger Reife, die man dann irgendwann erlangt. Ja. Meine Wiki-Karriere, wenn man das so sagen kann, hat sich dann fortgesetzt. Ich war in den Jahren 2013, 14, 15 und 16 jeweils gewähltes Mitglied des Wikipedia Schiedsgerichts. In insgesamt drei Amtsperioden. Und konnte da mich ein bisschen mehr für die Community einbringen. Ein bisschen was, wie ich hoffe, zur Konfliktlösung beitragen. Hat mir sehr gut gefallen, die Zeit. Habe irrsinnig interessante Leute kennengelernt auch in der Zeit. Ist immer spannend, sich mit anderen Wikipedianer auszutauschen und auch bisschen was beitragen zu können, dass das Hobby für alle mehr Spaß macht, sage ich jetzt mal.
00:04:22 Sebastian Wallroth: Das ist sehr interessant. Da kommen wir gleich drauf zurück. Aber jetzt haben wir zehn Jahre übersprungen. Wie war denn das so mit 14 Jahren? Wird man da bald in Diskussion reingezogen? Oder ist Dein Alter dann irgendwie auffällig geworden?
00:04:36 Thomas Planinger: Ich habe nicht das Gefühl. Nein, eigentlich nicht. Also, ich sage mal in den Anfangsjahren dieses Jahrtausends und natürlich damit auch in der Anfangszeit der Wikipedia, war es mehr so ein bisschen Goldgräberstimmung. Der (Tonfall? 00:04:50-7) war auch noch nicht ganz so rau, wie er heute ist. Es war mehr diese Aufbruchsstimmung, ein bisschen Pionierfeeling. Man hat noch sehr viele Themengebiete gehabt, wo man überhaupt der einzige war, der darüber schreibt. Ich war sehr, sehr lange Zeit der einzige, der über Vorarlberg (unv. weil Störung 00:05:07-5) geschrieben hat. Und hatte demnach auch nicht jetzt so viele Berührungspunkte mit anderen Wikipedianern. Und die Berührungspunkte, die ich hatte, die waren eigentlich freundlicher Natur und auch wirklich dem kolaborativen Gedanken der Wikipedia irgendwo zuzuordnen. Das war wirklich nett.
00:05:25 Sebastian Wallroth: Also Du hast dann auch Kontakt mit Leuten gehabt?
00:05:28 Thomas Planinger: Ich habe dann auch Kontakt mit Leuten gehabt. Ich habe auch 2007 mal selber einen Stammtisch in Dornbirn organisiert, zu dem dann auch vier, fünf aus der Region gekommen sind. Wir waren damals, wie gesagt, eine recht kleine Gruppe, die hier tätig war (unv. weil Tonstörung 00:05:42-3) im regionalen Umfeld. Aber ich habe auch versucht mich mit denen zu verknüpfen. Und wie das halt so ist, als Jugendlicher hat man jetzt nicht die Möglichkeiten, die man als Erwachsener hat. Auf Stammtische in weit entfernte Städte zu fahren. Das heißt, meine erste weitere Reise zu einem Wikipedia Stammtisch habe im Jahr 2009 unternommen, als ich während meines Grundwehrdienstes eine Freifahrkarte für die österreichische Bahn hatte und da mal nach Graz zum Stammtisch fahren konnte. Aber ansonsten hat sich das eigentlich eher so immer ziemlich regional abgespielt bei mir.
00:06:16 Sebastian Wallroth: Okay. Jetzt kommen wir zu Deiner Mitgliedschaft im Schiedsgericht. Was macht das Schiedsgericht? Ehrlich, ich weiß es nicht.
00:06:24 Thomas Planinger: Das Schiedsgericht ist eigentlich eine zweckdienliche Institution. Die wurde eingeführt von der Community, von der deutschsprachigen Wikipedia Community. Auch nach Vorbild der englischsprachigen Community. Und es ist eigentlich ein Ding der Notwendigkeit irgendwann. Wenn Internetprojekte irgendwann groß genug werden, dass sie auch Leute anziehen, die, sagen wir mal, sozial weniger verträglich sind oder die auch schwierige Charaktere sind, braucht es irgendwo ein Regulativ. Und es liegt, glaube ich, auf der Hand, dass nicht jede Entscheidung hinsichtlich Einzelpersonen vom breiten Kollektiv getroffen werden können, also von der breiten Masse der Benutzer, das wird irgendwann zu viel. Und da hat man sich dann entschieden, ein Schiedsgericht einzusetzen, das aus zehn vertrauenswürdigen Wikipedianern zusammengesetzt ist, die jeweils für ein Jahr gewählt werden und dann so quasi als oberste Streitschlichtungsinstanz eingesetzt werden. Also, dass man, wenn man als Benutzer gesperrt wird oder wenn irgendein Administrator in der Wikipedia seine Rechte einsetzt, seine erweiterten Rechte einsetzt, dann kann man sich beschweren. Und dieser Beschwerdeweg führt dann in letzter Instanz irgendwann zum Schiedsgericht. Und das Schiedsgericht hat also dann (unv. 00:07:43-3) der Community ein abschließendes Votum darüber abzugeben, ob dieser Rechteeinsatz korrekt war oder nicht. Um das jetzt mal ganz kurz auszudrücken. Es ist also ein Ehrenamt, das man für die Community übernimmt, und das natürlich mit erheblicher Verantwortung auch gegenüber der Community einhergeht. Ich habe das auch immer sehr gern gemacht. Also, das war höchst spannend. Wir hatten sehr, sehr interessante Fälle. Im Gegensatz zu den englischsprachigen Kollegen allerdings hatten wir jetzt nicht die Fälle, bei denen wir große Regeländerungen in der Wikipedia durchsetzen konnten. Das darf das deutschsprachige Schiedsgericht nämlich auch nicht. Sondern mehr jetzt wirklich auf Individuen bezogene Fälle. Vielleicht auch noch kurz dazu, warum das deutschsprachige Schiedsgericht das nicht darf.
00:08:34 Sebastian Wallroth: Ja, bitte.
00:08:35 Thomas Planinger: Das deutschsprachige Schiedsgericht ist nämlich dann durch Meinungsbilder eingesetzt. Und ein Meinungsbild kann sich vorstellen, wie eine Volksabstimmung. Da dürfen alle stimmberechtigten Wikipedianer mit abstimmen. Da werden Textvorschläge unterbreitet für Regeln, für Regelungen in der Wikipedia. Und innerhalb dieser Meinungsbilder, die jetzt zum Schiedsgericht entstanden sind, wurde ganz klar vorgegeben, wofür das Schiedsgericht zuständig ist, wofür es nicht zuständig ist, was es darf und was es nicht darf. Und einer der Punkte, die es eben nicht darf, ist, allgemeingültige Regelung für die gesamte Wikipedia aufzustellen. Das ist nach wie vor etwas, das nur die Gesamt Community kann. Das ist auch gut so. Das Schiedsgericht fungiert also nicht irgendwie als Gesetzgeber oder als Regelausleger, sondern wirklich als letzte Beschwerdeinstanz eigentlich.
00:09:31 Sebastian Wallroth: Und die Fälle werden alle auch auf der Website eingetragen? Also, gibt kein geheimes verpetzen?
00:09:39 Thomas Planinger: Genau, richtig. Es ist so, dass jeder sich mit einem öffentlichen Antrag an uns, also an das Schiedsgericht wendet. Und dass diese Anträge auch tatsächlich in der Wikipedia gestellt werden müssen. Jeder kann sich dazu äußern. Jeder kann mitdiskutieren bei diesen Anträgen. Führt teilweise auch dazu, dass es dann mitunter etwas hoch her geht. Aber das liegt in der Natur der Sache und ist, glaube ich, auch verständlich, wenn da einfach Emotionen aufeinandertreffen. Verhandelt wird dann sowohl öffentlich jeweiligen Antrag, als auch nicht öffentlich innerhalb des Schiedsgerichts. Also, die zehn Schiedsgerichtsmitglieder, die machen regelmäßige Telefonkonferenzen und treffen sich auch in Real und besprechen die einzelnen Fälle miteinander, wägen ab, wo die Probleme liegen, was es für Meinungen dazu gibt. Und dann wird, auch wieder öffentlich, von jedem einzelnen Schiedsgerichtsmitglied abgestimmt, wie er zu dem Fall steht. Also das ist auch alles völlig transparent, dass man sehen kann, welches Schiedsgerichtsmitglied welche Meinung vertritt und wer unter Umständen auch gegen die Meinung der Kollegen stimmt.
00:10:52 Sebastian Wallroth: Was waren denn so die bewegendsten Fälle, die Du so in Deiner Zeit erlebt hast?
00:10:58 Thomas Planinger: Ich kann mich erinnern, das muss relativ am Anfang meiner Schiedsgerichtszeit gewesen sein, hatten wir mal einen recht großen Fall, den wir als Gender-Fall bezeichnet haben. Das Thema Frauen in der Wikipedia oder überhaupt Minderheit in der Wikipedia ist ja eines, das uns immer wieder beschäftigt als Community. Und da wurde einmal ein Fall an uns herangetragen, wo ein Autor, der in diesem Genderbereich sehr engagiert ist, sich verfolgt gefühlt hat durch andere Benutzer. Und wo wir dann entscheiden mussten, wie damit umzugehen ist. Ob diesem Benutzer jetzt eine unter Anführungszeichen Sonderbehandlung zukommen soll, ein gewisser Art Minderheitenschutz. Ob da einen Schutz vor diesen anderen Benutzern gewährt werden soll oder nicht. Das war ein unglaublich schwieriger und auch sehr intensiv diskutierter Fall, bei dem dann letztlich tatsächlich so eine Art Sonderschutz gewährt wurde durch uns. Wir haben dann ausgesprochen, wenn ich mich richtig erinnere, dass gerade in diesem sensiblen Bereich durch die Administratoren leichter Sperren verhängt werden können. Dass gerade in diesem sensiblen Bereich die Administratoren genauer hinschauen sollen. Und dass da eben eine Grundlage geschaffen wird, aufgrund derer härter durchgegriffen werden kann bei Verfehlungen, wie jetzt persönlichen Angriffen oder Beleidigungen in diesem Bereich. Ich glaube das war nötig. Und das war damals auch das Mittel, das einfach geboten war. Aber das hat uns recht lang beschäftigt. Es war auch einer der Fälle, die mir am intensivsten in Erinnerung geblieben sind, weil wir da wirklich uns, glaube ich, über mehrere Monate damit beschäftigt haben.
00:12:46 Sebastian Wallroth: Welche Mittel hat denn das Schiedsgericht dann an der Hand? Ich meine, die Wikipedia ist ja eine Community von Freiwilligen, die im Zweifel mit einem Pseudonym arbeiten, sodass man die gar nicht irgendwie aufspüren könnte. Oder was kann man denn da tun?
00:13:01 Thomas Planinger: Nein, das ist richtig. Das Schiedsgericht ersetzt freilich auch nicht ein staatliches Gericht. Soll es auch nicht, darf es auch nicht, kann es auch nicht. Das Schiedsgericht ist tatsächlich eine Wikipedia interne Kontrollinstanz. Und ihm stehen daher auch nur Mittel zur Verfügung, die in der Wikipedia selber liegen. Sprich, Entzug der Schreibrechte, Entzug von Administratorenrechten, Löschung von irgendwelchen Benutzerseiten. Also, das sehr stark Software lastige Maßnahmen, die hier gesetzt werden. Die aber in aller Regel zur Befriedung solcher Konflikte irgendwo dann auch ausreichen müssen. Weil alles, was darüber hinaus geht an Maßnahmen, wäre dann ja schon wieder irgendwo auf strafrechtlicher, sprich, staatlich gerichtlicher Seite angeordnet. Und dahin sollte es eigentlich in der Wikipedia ohnehin niemals gehen. Und wenn es mal dahingeht, dann kann man nicht ein Freiwilligen Gremium damit beschäftigen.
00:14:00 Sebastian Wallroth: Also ihr würdet, wenn sowas auftaucht/ oder Du ja nicht mehr. Aber das Schiedsgericht würde so was dann immer weiterreichen an die staatlichen Organe.
00:14:07 Thomas Planinger: Ich glaube, das muss man. Das ist ein Gebot der Stunde. Wenn überhaupt jeder Wikipedianer, dem so etwas auffällt, jeder Wikipedianer der mitbekommt, dass es zu Gewaltdrohungen kommt, dass irgendwelche über das übliche Maß der Meinungsäußerung hinausgehende Beleidigungen geäußert werden, irgendwelche Drohungen ausgestoßen werden, all diese Dinge sollte und darf niemand akzeptieren und sollte und muss jeder den ordentlichen staatlichen Stellen zur Anzeige bringen. Das sprengt den Rahmen eines Internetprojekts völlig. Und dafür sind staatliche Stellen zuständig. Ganz sicher nicht Freiwilligen Gremien.
00:14:48 Sebastian Wallroth: Ich habe gerade mal durchgescrollt, durch das Archiv der Entscheidungen des Schiedsgerichtes. Es sind immer so knapp etwas mehr als 20 Anfragen pro Jahr.
00:14:56 Thomas Planinger: Genau.
00:14:57 Sebastian Wallroth: Bloß 2013 sticht mit 38 Anfragen sehr heraus. Da hast Du ja auch viel mit dann zutun gehabt.
00:15:04 Thomas Planinger: Genau. Wobei, man muss auch sagen, Anfrage ist nicht gleich Anfrage. Also da gibt’s auch ganz unterschiedliche. Das ist auch wie bei tatsächlichen staatlichen Gerichten. Es gibt Anfragen, die sehr arbeitsintensiv sind und es gibt Anfragen, die sehr wenig arbeitsintensiv sind, weil sie zum Beispiel den formalen Voraussetzungen für eine Anfrage nicht genügen und man sie dann recht schnell zurückweisen kann. Das hat jetzt weniger was mit Formalismus und Bürokratie zu tun, als vielmehr damit, dass gewisse Mindestanforderungen einfach eingehalten werden müssen. Zum Beispiel kann ein nicht angemeldeter Benutzer sich nicht an das Schiedsgericht wenden, weil wir nicht mit Personen kommunizieren können, von den wir nicht mal wissen, ob das immer die gleiche Person ist. Also solche Aufforderung gibt es halt schon. Und wenn so etwas kommt, dann ist es immer sehr, sehr einfach eigentlich für Schiedsgericht, eine dann auch sehr formale Entscheidung zu treffen. Schwierig sind all jene Fälle, bei denen es tatsächlich dann in eine inhaltliche Beratung geht und die zum Teil auch wirklich sehr intensiv beraten werden müssen.
00:16:15 Sebastian Wallroth: Und zum Schiedsgericht kommt man vermutlich, in dem man sich bewirbt selber.
00:16:19 Thomas Planinger: Ganz genau. Das ist ein Ehrenamt, das übernimmt, für das man sich zur Wahl stellt. Ähnlich, wie das bei den Administratoren auch in der Wikipedia funktioniert. Da gibt’s also zweimal pro Jahr einen Wahlturnus. Bei dem Wikipedianer selber zur Wahl stellen können oder auch zur Wahl vorgeschlagen werden können. Und wo dann die Community als Ganzes wählt, wen sie im Schiedsgericht haben wollen. Und interessanterweise ist es immer so zweier Turnus. Das heißt, dadurch, dass wir zweimal im Jahr wählen, werden immer die Hälfte der Mitglieder neu gewählt. Das heißt, also immer fünf Posten sind zur Besetzung, die anderen fünf bleiben konstant. Sodass immer gewährleistet ist, dass fünf im Schiedsgericht sind, die schon wissen, wie es geht. Gegebenenfalls, dass fünf Neue zu kämen, dass man die dann irgendwie auch einlernen kann. Ist zwar, meines Wissens nach, noch fast nie passiert, dass fünf komplette Neulinge hineingewählt werden, aber das könnte durchaus vorkommen. Und er letztlich trifft die Entscheidung die Community, wen sie ins Schiedsgericht wählt.
00:17:26 Sebastian Wallroth: Interessantes Format.
00:17:28 Thomas Planinger: Sehr interessant. Und, wie gesagt, es ist eine sehr ehrenvolle Aufgabe. Ich habe es auch immer sehr gerne gemacht. Bin jetzt eigentlich auch mit Ende Mai nur drum ausgeschieden, weil ich die Aufgabe mal jemand anderem überlassen möchte, weil ich denke, dass drei Jahre dieser Tätigkeit irgendwann dann auch genug sind. Weil ich glaube, dass es vielleicht auch mal einen anderen Blickwinkel braucht. Weil ein neues Schiedsgericht Mitglied dem Gremium als solches ganz gut tut. Und, ja, weil ich glaube, dass das auch die Community das sicherlich für gutheißt, dass mal jemand anders zum Zug kommt, als eh immer nur die gleichen.
00:18:10 Sebastian Wallroth: Ich habe gerade mal nachgeschaut. Die Wahlen kann man ja auch sich anschauen.
00:18:14 Thomas Planinger: Genau.
00:18:15 Sebastian Wallroth: Und dann eben, bei der letzten Wahl haben so fast 170 Leute teilgenommen.
00:18:19 Thomas Planinger: Richtig.
00:18:20 Sebastian Wallroth: Das ist eine ungewöhnlich hohe Teilnahmequote.
00:18:22 Thomas Planinger: Das zeugt auch irgendwo davon, dass das Interesse der Community doch da ist, für dieses Amt. Also, es sind jetzt nicht 170 Kandidaten, aber es sind Wahlteilnehmer. Und das ist für die Wikipedia doch eine recht hohe Zahl, dass 170 Leute regelmäßig sich zweimal im Jahr an einer Wahl beteiligen für ein Gremium, das die meisten von ihnen hoffentlich nie betrifft. Weil das ist ja nur für Konfliktfälle gedacht.
00:18:51 Sebastian Wallroth: Ja. Es waren bei der letzten Wahl 13 Kandidaten. Und, ja, doch deutlich, fast 180 haben teilgenommen an der Wahl. Das ist für Wikipedia eine sehr hohe Zahl.
00:19:00 Thomas Planinger: Das ist eine sehr hohe Zahl, ja. In Anbetracht der Community Größe.
00:19:04 Sebastian Wallroth: Wobei man auch sagen muss, es wird ja immer mit sehr großen Zahlen um sich geworfen, wenn es um Wikipedia Autoren geht. Leser mal ganz außen vor. Es mag jetzt für manchen, der sich noch nicht damit befasst hat, komisch klingen, dass 130 oder 140 viel sind. Aber das ist viel. Dafür, dass man sich an solchen Meta-Themen beteiligt.
00:19:24 Thomas Planinger: Richtig. Weil viele Autoren ja auch mit diesem, ich sage immer, diesen kleinen Rädchen im Getriebe des, was im Hintergrund läuft, mit dem sich gar nicht beschäftigen. Also viele Autoren, ich habe das auch lange nicht gemacht. Ich finde auch, man kann gut damit leben, ohne sich jemals damit zu beschäftigen. Möchte auch wirklich niemand einen Vorwurf machen. Viele Autoren konzentrieren sich aufs Artikel schreiben. Das finde ich gut. Das halte ich für eine richtige Entscheidung.
00:19:52 Sebastian Wallroth: Absolut, ja.
00:19:53 Thomas Planinger: Muss halt jeder selber wissen. Und daher sind auch 130 oder 170, die teilnehmen, an so einer Wahl, tatsächlich nur die, die es auch interessiert, was wir hinter den Kulissen vor sich geht. Und die schon genügend Beiträge haben, um stimmberechtigt zu sein.
00:20:09 Sebastian Wallroth: Okay. Das war ein interessanter Einblick in die Arbeit des Schiedsgerichtes. Jetzt lass uns mal noch mal über deinen österreichischen Hintergrund sprechen. Du bist auch Mitglied des Chapters Wikimedia Österreich.
00:20:22 Thomas Planinger: Genau.
00:20:23 Sebastian Wallroth: Ist ja auch eine interessante Konstellation, dass die deutschsprachige Wikipedia jetzt nicht ein Pendant hat, einen Verein, der sich darum kümmert, sondern eigentlich drei sogar.
00:20:35 Thomas Planinger: Genau, ja.
00:20:35 Sebastian Wallroth: Deutschland, Schweiz und Österreich. Da habe ich jetzt etliche Fragen. Also, ich kenne mich nur mit Wikimedia Deutschland ganz gut aus. Erzähl mal was über Wikimedia Österreich.
00:20:46 Thomas Planinger: Ja, Wikimedia Österreich ist von der Struktur her ähnlich wie Wikimedia Deutschland aufgebaut. Ist aber völlig eigenständig. Also, wir haben mit den deutschen Kollegen zwar regelmäßig zu tun, veranstalten auch regelmäßig Termine mit den deutschen Kollegen zusammen und haben da ganz grundsätzlich immer wieder gutes Einvernehmen. Aber Wikimedia Österreich ist ein eigener Verein, der nach österreichischem Vereinsrecht gegründet wurde und auch von Österreichern betrieben wird. Hat auch eine eigene kleine Geschäftsstelle in Wien. Mit momentan drei Mitarbeitern. Also doch ein deutliches Eck kleiner als in Deutschland. Wobei man immer dazu sagen muss, alles, was in Österreich passiert, muss man halt um diesen Faktor zehn herunter rechnen oder für uns Österreicher, wir müssen immer um den Faktor zehn hinaufrechnen, wenn wir irgendwas mit Deutschland vergleichen wollen. Und da wiederum stehen wir im Vergleich recht gut da. Was man halt immer sagen muss, ist, man vergleicht sich gern. Man vergleicht sich gern untereinander. Man schaut immer gern, was machen die Deutschen so, was machen die Schweizer so. Was können wir anders als die Deutschen und die Schweizer machen? Was können die besser machen als wir? Was machen wir besser als die? Und darum ist es immer so bisschen interessant, zu schauen, über die Grenze, wo können wir uns jetzt noch verbessern? Oder wo können wir uns auch von den Deutschen und von den Schweizern abheben?
00:22:14 Sebastian Wallroth: Warst Du bei der Gründung mit dabei von Wikimedia Österreich?
00:22:18 Thomas Planinger: Nein. Wikimedia Österreich wurde zwar gegründet, als ich schon Wikipedia Mitglied war. Da habe ich aber noch nichts davon mitbekommen. Wikimedia Österreich ist, glaube ich, 2008 gegründet worden. Aber 2008 war für mich selber noch die Zeit, als ich mich kaum mit Metathemen beschäftigt habe. Also ich habe mich da wirklich fast ausschließlich aufs Artikel schreiben konzentriert. Und erstmals von der Existenz eines Vereins in Österreich habe ich erfahren 2012 bei der Wikicon. Also das war doch eigentlich recht spät.
00:22:52 Sebastian Wallroth: Hattest Du ein Amt schon mal inne, in Wikimedia Österreich?
00:22:55 Thomas Planinger: Ja. Sowohl als auch. Ich war Mitarbeiter von Wikimedia Österreich ein Jahr lang. Von 2013 bis 2014 war ich Community Manager bei Wikimedia Österreich. Einer von damals zwei Mitarbeitern des Vereins. Und bin aktuell Mitglied des Good Governance Gremiums von Wikimedia Österreich. Das ist ein Gremium, das der Verein eingesetzt hat, um interne Konflikte zu lösen, sollten welche auftreten. Da muss ich jetzt auch gleich dazu sagen, das ist eigentlich ein Gremium, das sehr wenig zu tun hat. Wir reichen jedes Jahr einen schönen Jahresbericht für die Hauptversammlung ein. Und wir hatten noch nie irgendwas zu berichten. Das hört sich jetzt etwas merkwürdig an, aber dieses Gremium wurde eigentlich voraussehend geschaffen. Dieses Gremium wurde geschaffen, um gegebenenfalls, sollte jemals irgendwas auftreten, einen neutralen Ansprechpartner zu haben, der hier vermitteln kann oder auch helfen kann, um solche Probleme im Verein irgendwo zu bereinigen. Das ist also eine reine Vorsichtsmaßnahme. Und die Tatsache, dass wir jedes Jahr nichts zu berichten haben, ist eigentlich eine sehr positive Tatsache. Weil es bedeutet, dass keine Probleme aufgetreten sind.
00:24:14 Sebastian Wallroth: Ja. Wikimedia Österreich wird vermutlich auch über Spendengelder finanziert.
00:24:19 Thomas Planinger: Ja, richtig. Etwas anders als der deutsche Verein allerdings. Viele Leserinnen und Leser der Wikipedia kennen sicher die Spendenbanner, die einmal im Jahr in der Wikipedia aufgeschaltet werden, die dann oben zum Spenden aufrufen. Im Gegenzug zu den deutschen Kollegen, fließen bei uns die Geldmittel nicht direkt an den Verein. Die deutschen Kollegen haben von den vereinigten Staaten, also von der Wikimedia Foundation, die Berechtigung erhalten, diese Spendengelder selber zu vereinnahmen und dann mit der Foundation abzuklären, wie die Gelder zwischen der Foundation und Wikimedia Deutschland aufgeteilt werden. Bei uns ist es nicht so. Bei uns ist es so, dass alle Spendengelder direkt in die USA gehen und von dort dann von uns wiederum beantragt werden müssen. Also von Wikimedia Österreich.
00:25:15 Sebastian Wallroth: Über das FDC.
00:25:18 Thomas Planinger: Genau. Über das (unv. 00:25:19-4) Comitee. Das hat den Nachteil, dass wir recht abhängig sind von der Foundation und auch dieser sehr strengen Berichtspflicht der Foundation unterliegen. Hat allerdings auch wieder den Vorteil, dass wir diese strengen Berichtspflicht unterliegen, also kein Nachteil ohne Vorteil. Weil es halt einfach der Spendentransparenz irgendwo zuträglich ist, wenn der Spender ganz genau nachvollziehen kann, wie jetzt der einzelne Spendeneuro oder der einzelne Spendendollar von der Organisation verwendet wurde. Und das kann man sowohl in Deutschland als auch in Österreich sehr, sehr genau nachvollziehen. Dadurch, dass wir sehr genaue Reports an die (unv. 00:26:03-2) der Foundation jeweils abliefern müssen.
00:26:06 Sebastian Wallroth: Ach und ich sehe, ihr habt/ am 31. Dezember 2015 waren es 131 Mitglieder im Verein.
00:26:12 Thomas Planinger: Genau, genau. Also, wie gesagt, alles um den Faktor zehn kleiner, als in Deutschland. Ich weiß, Deutschland hat deutlich mehr Mitglieder.
00:26:22 Sebastian Wallroth: Da ist es im Faktor 1000 etwa.
00:26:23 Thomas Planinger: Ja, ich wollte gerade sagen. Der Faktor stimmt da nicht ganz.
00:26:29 Sebastian Wallroth: Da hat Wikimedia Deutschland einen interessanten Weg eingeschlagen. Die haben halt die Spender aufgefordert, Mitglieder zu werden und sie haben allgemeinen dazu geworben, Mitglieder zu haben. Also ich hatte diese Version auch schon vor, ich weiß nicht mehr, sieben oder acht Jahren, dass doch jeder, der sich für Wissen interessiert, eigentlich bei Wikimedia Mitglied sein sollte. Aber Österreich ist doch eher so ein Insiderverein.
00:26:50 Thomas Planinger: Genau. Bei uns passiert das eigentlich kaum, dass mal jemand außerhalb der Wikipedia Autorenschaft Mitglied wird. Wir haben schon einzelne Mitglieder auch, die nicht Wikipedia Autoren sind. Aber der größere Teil, und ich würde sagen etwa 90 Prozent der Mitglieder von Wikimedia Österreich, sind noch tatsächlich Wikipedia Autoren. Das heißt, an der Zahl unserer Mitglieder lässt sich auch recht schön ablesen, wie viele aktive Wikipedia Autoren es in Österreich gibt.
00:27:17 Sebastian Wallroth: Da schwirren mit gerade noch zwei Fragen im Kopf rum. Zum einen, Wikimedia Österreich kümmert sich dann vermutlich um Themen, die mit Österreich zu tun haben.
00:27:27 Thomas Planinger: Richtig. Und zwar in erster Linie mit der Unterstützung der österreichischen Autoren der Wikipedia. Und zum anderen mit der Erstellung freien Wissens in Österreich und mit österreichischen Organisation. Das heißt Wikipedianer, die, wie ich, Österreicher sind oder in Österreich wohnhaft sind, können beispielsweise über Wikimedia Österreich anfragen, ob sie aus dem mittlerweile sehr reichhaltigen Foto Equipment von Wikimedia Österreich, Fotoapparate ausleihen können oder ob sie Fahrkosten Unterstützung bekommen können, um beispielsweise zu Stammtischen zu reisen oder zu Fotoprojekten anzureisen. Solche Sachen werden durch den Verein so stark gefördert. Und zum anderen wird der Austausch mit Institutionen, mit österreichischen Institutionen auch sehr stark beworben. Wobei, unsere sicherlich best funktionierende Kooperation in der Hinsicht mit dem österreichischen Bundesdenkmalamt ist. Wo die kompletten Denkmallisten regelmäßig von uns in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt bearbeitet werden im Rahmen von Wiki loves Monuments.
00:28:39 Sebastian Wallroth: Als ich das gehört habe vor zwei oder drei Jahren, das hat mich sehr überrascht. Und das fand ich auch großartig, als dieser Wettbewerb Wiki loves Monuments, bei dem weltweit Leute losziehen, um Denkmäler zu fotografieren, losging, fiel auf, dass auch in Deutschland und auch in Österreich die Listen nicht vollständig waren. Teilweise waren es Karteikartenkästen irgendwo/ in Deutschland ist es auch noch keine Bundessache, sondern ist den einzelnen Kommunen überlassen. So. Und da gab’s viele Denkmallisten, wo Sachen drinnen standen, die es schon nicht mehr gab oder Sachen waren nicht richtig erfasst, sodass man sie nicht genau zuordnen konnte. Wenn man von dem einen Bauernhaus sprach und da standen zwei, dann war nicht klar, welches gemeint war. Und so. Und in Deutschland hat sich das inzwischen verbessert. Und in Österreich, die sind sogar noch einen Schritt weitergegangen, indem sie mit den österreichischen Freiwilligen zusammenarbeiten und von denen sich das zuliefern lassen.
00:29:32 Thomas Planinger: Genau. Und wir haben mittlerweile eine Abdeckung von über 90 Prozent aller österreichischen Denkmäler im gesamten Bundesgebiet, die in der Wikipedia fotografiert wurden. Also eine unglaubliche Abdeckung mittlerweile. Sogar schon so hoch, dass die Überlegung im Raum steht, ob Österreich bei Wiki loves Monuments überhaupt noch mitmachen soll, weil es zu fast jedem Denkmal, das irgendwie zu Fuß erreichbar ist, ein Foto gibt.
00:29:58 Sebastian Wallroth: Ja, da hätte ich aber durchaus eine andere Meinung. Zum einen ist nicht jedes Foto gut. Und zum anderen braucht man von bestimmten Gebäuden auch mehrere Fotos. Nicht nur ein Frontalbild, sondern ringsum. Und zu verschiedenen Jahreszeiten.
00:30:09 Thomas Planinger: Wie gesagt, die Überlegung stand im Raum. Ich glaube nicht, dass es dazu/
00:30:13 Sebastian Wallroth: Aber dahin zu kommen, das muss man erst mal schaffen. Ja, dass man überhaupt so eine Überlegung anstellt.
00:30:16 Thomas Planinger: Genau.
00:30:19 Sebastian Wallroth: Respekt.
00:30:23 Freie Musik
Sebastian Wallroth: Okay. Jetzt reden wir schon etwa eine halbe Stunde. Dann gönnen wir uns eine kleine Pause. Und zwar gibt es jetzt Musik auf die Ohren von Cullah. Das ist ein junger Mann, geboren 1991 in Milwaukee, Wisconsin. Der Sohn einer österreichischen Zigeunerin. Ich weiß nicht, ob man dieses Wort benutzen darf. Und Sohn eines irischen Programmierers. Der jedes Jahr ein Album produziert seit 2006 und die unter einer freien Lizenz veröffentlicht. Und ich spiele jetzt das Stück „Cold kind of Woman Blues“. (Musik von 00:31:07-2bis 00:34:08-9). Da sind wir wieder da. Ich finde es großartig, die Musik. Und auch, dass es unter einer freien Lizenz veröffentlicht ist, beeindruckt mich sehr. Gut. Wir haben zuletzt gesprochen über Wiki loves Monuments und die Beteiligung von Österreich. Dass nämlich dort das freiwilligen Engagement durch die Behörden genutzt wird, um sich die Listen auffüllen zu lassen. Ein anderes Thema jetzt zu Österreich und die deutschsprachige Wikipedia sind ja Österreich Themen.
00:34:37 Thomas Planinger: Genau.
00:34:38 Sebastian Wallroth: Mir kommen immer mal Artikel unter, in denen ein kleines Baperl drinnen ist, wo drin steht dieser Artikel beschreibt die Situation in Deutschland. Bitte füge die Situation in Österreich hinzu.
00:34:50 Thomas Planinger: Sehr richtig. Das wurde auch schon sehr früh in der Wikipedia eingeführt, dieses Bapperl, weil logischerweise der Gap irgendwo besteht, dass eben Themen sehr stark aus einer bestimmten Sicht beschrieben werden. Und gerade meinem Themenbereich, nämlich im Rechtsbereich, stoßen wir sehr oft auf dieses Problem, weil es sehr viele deutschsprachige Benutzer gibt, die aus Deutschland kommen. Demnach die deutsche Rechtslage in den Artikel einfügen. Was super ist, weil es dadurch einfach schon mal den Artikel überhaupt gibt. Aber halt diese Rechtslage sich teilweise deutlich unterscheiden kann von der österreichischen, auch von der Schweizer Rechtslage. Und, was man auch nicht vergessen darf, auch von der liechtensteinischen Rechtslage. Und von den anderen Rechtsordnungen, die es auf der Welt gibt, überhaupt nicht zu reden. Aber wir wollen jetzt mal optimistischer Weise davon ausgehen, dass zumindest die österreichische, die deutsche und die Schweizer Rechtslage in einem Artikel bearbeitet werden. Das ist ein Problem, das eigentlich immer wieder mir persönlich auffällt, wenn ich durch die Artikellandschaft ziehe. Ich versucht das auch, wo ich kann, irgendwo zu beheben oder zumindest den österreichischen Aspekt mit reinzubringen. Im Schweizer Recht bin jetzt auch nicht firm. Wir haben das Glück, dass, ohne jetzt irgendjemanden vor den Kopf stoßen zu wollen, die Liechtensteiner sehr viele österreichische Gesetze kopiert haben. Das heißt, die liechtensteinischen Gesetze sind teilweise wortident mit den österreichischen. Bis auf das „ß“. Und daher unterscheidet sich die liechtensteinische Rechtslage sehr oft nicht von der österreichischen Rechtslage. Zumindest, was (unv. 00:36:34-3) Rechtsgebiete anbelangt. Wodurch wir da zumindest einen Vorteil haben, wenn die österreichische Rechtslage drinnen ist, dass dann relativ automatisch auch die liechtensteinische Rechtslage im Artikel ist. Aber das Problem besteht natürlich nach wie vor, dass sehr oft nur die deutsche Rechtslage abgehandelt wird. Und die österreichische und die Schweizer und die liechtensteinische Rechtslage etwas außen vor bleibt.
00:36:57 Sebastian Wallroth: Und das kann man nur mit fleißiger Arbeit auffangen.
00:37:00 Thomas Planinger: Ja, leider. Das ist etwas, das eigentlich nur österreichische und Schweizer Juristen ändern könnten. Weil ich nehme kaum an, dass deutsche Juristen sich mit österreichischen und schweizerischen Recht beschäftigen werden. Und automatisiert das irgendwie anzugleichen, das funktioniert natürlich logischerweise auch nicht. Wobei man auch sagen muss, wir ja nicht das einzige Themengebiet in der Wikipedia, das dieses Problem hat. Das erstreckt sich auf ganz viele Themengebiete, dass da teilweise nur die deutsche Sichtweise auf ein Thema behandelt wird. Aber im Recht zeigt es sich halt am deutlichsten.
00:37:41 Sebastian Wallroth: Ich habe gerade mal den Artikel, Wikipedia Österreich lastige Artikel aufgerufen.
00:37:47 Thomas Planinger: Gibt es auch, ja.
00:37:49 Sebastian Wallroth: Ja. Ich verlinke den gleich mal. Es gibt auch Schweiz lustige Artikels. Jetzt müsste man durchzählen, wie viele tatsächlich dieses Bapperl tragen. Das ist, ja, ist wenigen bewusst oder kommt erst, wenn man eine Weile damit arbeitet, dass es halt Themen gibt. Wenn man Straßenverkehrsordnung allein schon sagt, dann gibt es halt eine Deutschland Sache und eine Österreich Sache.
00:38:14 Thomas Planinger: Das fängt alleine schon bei Themen an, die jedem von uns im Kopf sind. Wenn wir an Autobahnen denken und wenn wir uns dessen bewusst sind, dass das Bemautungssystem von Autobahnen, also die Gebühren, die für die Autobahnbenutzung zu entrichten sind, in allen drei Ländern völlig unterschiedlich funktionieren. In der Schweiz und in Österreich mittels dieses Pickerls, der bekannten Autobahnvignette. Und in Deutschland teilweise überhaupt nicht. Außer für Lastkraftfahrzeuge, so weit ich weiß. Und wenn wir uns dann weiter vor Augen führen, dass diese Bemautungsvarianten ja nur zwei oder drei von etlichen sind, auf der Welt, die in Verwendung sind. Weil jedem von uns bewusst ist, wenn er nach Italien zum Beispiel in den Urlaub fährt, dass er dann eine österreichische Autobahnvignette, gegebenenfalls eine Schweizer Autobahnvignette und dann auch noch in Italien dieses Mautsystem an den Mautstationen hat. Also ganz unterschiedliche Varianten, die aus jeweils unterschiedlicher Perspektiven beschrieben werden müssen. Daher kann auch nicht im Artikel über Autobahnen allgemein drinnen stehen, dass die Benutzung von Autobahnen völlig kostenfrei ist beispielsweise. Das wäre ein klassischer Fall für ausschließlich deutsche Sichtweise.
00:39:35 Sebastian Wallroth: Ja. Gibt es Minderheitensprachen in Österreich?
00:39:39 Thomas Planinger: Es gibt tatsächlich anerkannte Minderheitensprachen in Österreich. Österreich ist ein Land, das noch aus der K und K Monarchie recht viele Minderheitensprachen geerbt hat.
00:39:51 Sebastian Wallroth: Gibt es denn auch Wikipedias in diesen Minderheitensprachen?
00:39:54 Thomas Planinger: Es gibt Wikipedien in diesen Minderheitensprachen. Kroatisch, Ungarisch, die Klassischen.
00:40:01 Sebastian Wallroth: Ach so, die haben jeweils eine Community, ja.
00:40:04 Thomas Planinger: Was wir jetzt noch haben, sind, das sind aber keine offiziell anerkannten Minderheitensprachen in Österreich, aber der größte Teil Österreichs spricht ja eine bayerische Dialektform. Und es gibt die bayerischsprachige Wikipedia. Die ist sehr amüsant zu lesen. Ist immer wieder einen Kern meiner Erheiterung. Und wo ich selber ein bisschen was beitrage, ist mein Heimat Dialekt. Ich komme, wie gesagt, aus dem westlichsten österreichischen Bundesland, wo kein bayerischer Dialekt gesprochen wird, sondern ein dem schweizerischen und schwäbischen anverwandten alemannischen Dialekt. Und es gibt auch die alemannischsprachige Wikipedia, die auch sehr amüsant ist, zu lesen, wo ich unter anderem den Artikel über die Polizei geschrieben habe. Das ist auch sehr amüsant, mal einen Wikipedia Artikel über ein durchaus ernst zu nehmendes Thema, durchaus mit enzyklopädischen Anspruch, in einem solchen Dialekt zu schreiben. Hat so seine ganz eigene Herausforderung.
00:41:06 Sebastian Wallroth: Aber Du beherrscht diesen Dialekt?
00:41:07 Thomas Planinger: Ja, ja. Ich bin mit diesem Delikt aufgewachsen.
00:41:10 Sebastian Wallroth: Ach so.
00:41:10 Thomas Planinger: Ich bemühe mich jetzt, Hochdeutsch zu sprechen. Alles andere wäre wohl für diesen Podcast nicht verwendungstauglich.
00:41:20 Sebastian Wallroth: Okay. Muss ich Untertitel einblenden.
00:41:20 Thomas Planinger: Also wir sprechen hier eigentlich wie die Schweizer.
00:41:25 Sebastian Wallroth: Gut. Ich glaube, dann haben wir Österreich ganz gut (unv. 00:41:28-5). Oder gibt es noch irgendwelche großen Themen, die Österreich und die Wikipedia betreffen?
00:41:33 Thomas Planinger: Wir sind recht klein für Wikipedia Verhältnisse. (Unv. weil Tonstörung 00:41:37-7), wie gesagt der Faktor zehn.
00:41:41 Sebastian Wallroth: Aber recht aktiv und auch nah an der Community dran.
00:41:45 Thomas Planinger: Ja. Ja, ich habe schon das Gefühl. Also, man sagt Wikimedia Österreich auch nach, dass der Verein recht nah noch an den Community Mitgliedern ist. Und dass vor allem die Kommunikation mit den Vereinsmitarbeitern und auch mit dem Vorstand noch sehr, ja, wie soll ich sagen, nah an den Wikipedianern dran ist. Dadurch, dass auch alle Vorstandsmitglieder aktive Wikipedianer sind und auch die Vereinsmitarbeiter sehr Wikipedia nah zumindest sind, wenn nicht sogar selber auch aktive Mitarbeiter, hat das einfach Vorteile hinsichtlich der Verständigung mit den Freiwilligen. Ich glaube, das ist schon ein Stück weit ein Erfolgsgeheimnis dieses Vereins.
00:42:34 Sebastian Wallroth: Freut mich zu hören. Ich bin übrigens auch Mitglied bei Wikimedia Österreich.
00:42:36 Thomas Planinger: Das wiederum freut mich zu hören.
00:42:41 Sebastian Wallroth: Aus Interesse so. Weil ich gerne mitkriegen will, was da passiert, bin ich da auch Mitglied geworden. Jetzt noch mal zu Dir. Du warst Mitarbeiter bei Wikimedia Österreich. Du bist in einem Gremium von Wikimedia Österreich. Und jetzt bist Du noch in einer ganz neuen Rolle unterwegs, als Wikipedian in Residence.
00:43:02 Thomas Planinger: Genau.
00:43:02 Sebastian Wallroth: Bitte erkläre kurz, was das ist, für die, die es nicht wissen. Und dann erzähl mal, was Du da machst.
00:43:08 Thomas Planinger: Der Wikipedian in Residence ist ein Konzept, das wiederum aus den USA kommt. Das haben englischsprachige Benutzer in den USA erstmals entwickelt. Und beim Konzept Wikipedian in Residence ist es so, dass sich eine Institution einen Wikipedianer ins Haus holt. Institution heißt in diesem Zusammenhang, ursprünglich eigentlich eine Kulturinstitution aus dem Bereich Galerien, Bibliotheken, Archive und Museen. Dieser klassische GLAM nennt sich das, also Gallerys, Librarys, Archives and Museums, Bereich. Aus dem kommt das raus. Die haben sich in den USA Wikipedianer in ihre jeweiligen Institutionen eingeladen und haben dann mit denen gemeinsam versucht, die Inhalte, die in diesen GLAM Institution vorhanden waren, freizugeben oder für die Wikipedia zumindest irgendwie verwendbar zu machen. Dieses Konzept kommt also aus den USA und wurde auch in Europa, auch in Deutschland, und teilweise auch in Österreich schon umgesetzt. Ich weiß, dass es in Berlin da bereits Kooperationen gab. Und bei uns in Österreich auch mit dem Bundesdenkmalamt wiederum. Und wir haben jetzt oder ich darf jetzt erstmals einen etwas anderen Aspekt dieser GLAM-Kooperation, dieses Wikipedian in Residence ausprobieren. Ich wurde nämlich eingeladen als Wikipedian in Residence am österreichischen Verfassungsgerichtshof tätig zu werden.
00:44:43 Sebastian Wallroth: Und von wem wurdest Du eingeladen?
00:44:44 Thomas Planinger: Vom Leiter der Bibliothek des Verfassungsgerichtshofs.
00:44:48 Sebastian Wallroth: Ach, das heißt, das ist gar keine Initiative von Wikimedia Österreich oder so, sondern ging von den Leuten aus, mit denen Du da zusammenarbeitest?
00:44:54 Thomas Planinger: Richtig, richtig.
00:44:56 Sebastian Wallroth: Wie kam es dazu?
00:44:57 Thomas Planinger: Der ist selber in der Wikipedia angemeldet, ist allerdings nicht sonderlich aktiv, hat aber herausgefunden, dass ich einige Artikel über die aktuellen Verfassungsrichter verfasst habe. Als Freiwilliger im Rahmen meiner normalen Artikelbearbeitungstätigkeit. Weil ich mal im österreichischen Rechtsbereich tätig bin, habe ich den einen oder anderen Artikel über Verfassungsrichter angelegt. Und er hat das entdeckt, hat mich dann per Mail kontaktiert und mich eingeladen, ob ich nicht mal Lust hätte, ein persönliches Gespräch über die Wikipedia und ihre Funktionsweise zu führen. Und wir haben uns dann heuer im Frühjahr am Verfassungsgerichtshof getroffen. Und er hat mir dann relativ schnell eröffnet, dass er dieses Konzept Wikipedian in Residence kennt und dass er das ganz toll findet und dass er sich vorstellen könnte, einen Wikipedian in Residence auch am Verfassungsgerichtshof zu haben.
00:45:56 Sebastian Wallroth: Großartig.
00:45:56 Thomas Planinger: Und das war also wirklich nicht von mir intendiert oder irgendwie darauf zu gesteuert, sondern ist von ihm gekommen. Ich habe das großartig gefunden. Er hat mich dann auch gefragt, ob ich das selber machen möchte. Habe ich dann auch gleich bejaht. Weil mich das unglaublich interessiert und weil ich auch das Verfassungsrecht sehr interessant finde. Ich hatte dann auch interessanterweise gerade im letzten Semester eine Vorlesung zum Thema Verfassungsrecht bei einem Verfassungsrichter. Also bei einem dieser 14 Verfassungsrichter, der mich dann auch in der Vorlesung drauf angesprochen hat, ob ich derjenige sei, der dann als Wikipedian in Residence zu ihnen an den Gerichtshof komme. Es hat sich also recht schnell herumgesprochen. Und bei dem ich jetzt dann auch meine Diplomarbeit schreiben darf. Also es hat dann auch tatsächlich weitere Wellen geschlagen, diese ganze Geschichte. Und ich bin jetzt/ im Juli war ich bereits und darf dann noch mal im September am Verfassungsgerichtshof tätig werden als Wikipedian in Residence.
00:47:04 Sebastian Wallroth: Und was machst Du da konkret? Jetzt bei dem Projekt?
00:47:06 Thomas Planinger: Genau. Der Wikipedian in Residence oder so, wie wir jetzt den Wikipedian in Residence anlegen, geht es zunächst mal darum, den reichhaltigen Schatz an juristischer und insbesondere verfassungsjuristischer Literatur, die ja am VFGH vorhanden ist, auszuwerten. Und daraus eben genau für Themen des österreichischen Verfassungsrechts neue Wikipedia Artikel zu schreiben oder die vorhandenen Wikipedia Artikel zu überarbeiten. Und außerdem geht’s darum, Bilder, die im Verfassungsgerichtshof vorhanden sind, beispielsweise aktuell die Porträtfotos der aktuellen Verfassungsrichter, unter freier Lizenz in die Wikipedia zu bekommen. Da war bisher noch überhaupt nichts vorhanden. Einzelne Bilder der Räumlichkeiten des Verfassungsgerichtshofs frei zugänglich zu machen und dann letztlich auch das Bewusstsein der Mitarbeiter des Verfassungsgerichtshofs für freie Inhalte irgendwo zu erhöhen, im Rahmen von Vorträgen oder im Rahmen von Diskussionsrunden, die wir jetzt dann im September angesetzt haben am Verfassungsgerichtshof. Ganz konkret kann man vielleicht jetzt schon sagen, was wir im Juli gemacht haben. Im Juli habe ich mich sehr stark mit der Geschichte des Verfassungsgerichtshofs auseinandergesetzt. Durfte da auch Einblick nehmen in allerlei historisches Material, das am Verfassungsgerichtshof vorhanden ist. Also bis zurück ins Jahr 1918, als der Verfassungsgerichtshof gegründet wurde. Und teilweise sogar bis zurück in die Zeit der Monarchie, in die Vorläuferinstitution, ins Reichsgericht. Was unglaublich spannend war und wo ich sehr viel draus verwenden konnte. Und ich habe dann, was jetzt bereits in der Wikipedia sichtbar ist, im Artikel Verfassungsgerichtshof (Österreich), den kompletten Abschnitt Geschichte neu geschrieben, überarbeitet und auf einen jetzt sehr, sehr rechtshistorischen Stand gebracht. Der Leiter der Bibliothek des Verfassungsgerichtshofs ist auch selber Rechtshistoriker. Der hat mich dabei unterstützt und hat dann das Ergebnis dessen sich durchgelesen und hat das für durchaus gut und würdig befunden. Weshalb ich glaube, dass man damit recht zufrieden sein kann. Also, es ist so der erste größere Meilenstein.
00:49:33 Sebastian Wallroth: Ich scrolle da gerade durch, durch den Artikel. Du bist kurz davor, das auslagern zu müssen, den Geschichtsteil.
00:49:37 Thomas Planinger: Genau. Richtig. Das ist momentan die Überlegung, ob das nicht eigentlich ein eigenständiger Artikel werden sollte. Jetzt ist mal noch drinnen.
00:49:45 Sebastian Wallroth: Und die Damen und Herren haben auch alle ein aktuelles Foto, die aktuellen Mitglieder, die auch alle von Dir stammen, die Fotos.
00:49:50 Thomas Planinger: Genau, diese Fotos sind eben genau im Rahmen dieses Projekts freigegeben worden. Wir haben uns da mit dem ursprünglichen Fotografen, der diese Fotos angefertigt hat für den Verfassungsgerichtshof, in Kontakt gesetzt im Rahmen des Projekts. Haben dem erklärt, was eine freie Lizenz bedeutet, was das ist. Und der war auch gleich bereit, die Fotos für freie Lizenz freizugeben. Haben das dann dokumentiert entsprechend, so, wie das in der Wikipedia üblich ist. Und diese Fotos sind also jetzt nicht nur für die Wikipedia, sondern tatsächlich für die Allgemeinheit frei verfügbar. Was, glaube ich, gerade bei derart in der Öffentlichkeit stehenden Personen, wie den Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichtern, durchaus einen Mehrwert für die Allgemeinheit darstellt. Man sieht auch, da gibt es dann Fotos der aktuellen Besetzung des Verfassungsgerichtshofs, es gibt Fotos aus dem Verhandlungssaal, es gibt Fotos aus dem Beratungszimmer des VFGH, das man so jetzt auch nicht kennt. Ja. Da gibt es eine Reihe von Fotografien, die einfach die Arbeit des Verfassungsgerichtshofs auch etwas besser begreifbar machen sollen. Und genau darum geht’s im Grunde genommen bei diesem Projekt. Jetzt auch der Öffentlichkeit oder der Allgemeinheit Fotos und Informationen zur Verfügung zu stellen, um den Verfassungsgerichtshof besser einordnen zu können. Es geht nicht darum, eine Sichtweise, eine bestimmte Sichtweise auf den Verfassungsgerichtshof vorzugeben, sondern genauso neutral und genauso enzyklopädisch wie man sich das bei jedem anderen Wikipedia Artikeln und bei jedem anderen Inhalt in der Wikipedia erwartet, diese Inhalte eben auch darzustellen. Darum macht das auch nicht jemand, der immer schon beim VFGH arbeitet, sondern ich jetzt im Rahmen des Wikipedian in Residence Praktikums.
00:51:42 Sebastian Wallroth: Ich habe gerade das Foto des Präsidenten aufgerufen und bringe ihm großen Respekt entgegen, dass er sich traut, nicht zu lächeln auf seinem Foto.
00:51:51 Thomas Planinger: Tatsächlich gibt es vom Doktor Holzinger genau ein einziges Foto, auf dem er lächelt. Also, das ist nicht schwierig, ein Foto des Präsidenten zu finden, auf dem er nicht lächelt. Er ist aber ein sehr, sehr herzlicher Mann. Ein sehr hochkarätiger Jurist. Ich hatte dann auch das Vergnügen im Rahmen des Praktikums, mich bei ihm mal vorstellen zu dürfen. Er war auch sehr interessiert an diesem Projekt, das wir hier durchführen. Und ich habe ihm auch erklärt, was genau wir hier machen. Er ist also wirklich sehr interessiert daran. Und ich kann ihn nur, wie gesagt, in den höchsten Tönen loben. Er ist ein großartiger Jurist. Wenn man ihn mal kennengelernt hat, ich bin sehr begeistert von ihm.
00:52:38 Sebastian Wallroth: Ich finde auch interessant, dass der Fotograf die unter einer freien Lizenz freigibt.
00:52:42 Thomas Planinger: Richtig.
00:52:43 Sebastian Wallroth: Weil, das ist ja eine Diskussion, die jetzt gerade gesellschaftlich am Laufen ist, welche Vor- und Nachteile so was hat.
00:52:50 Thomas Planinger: Richtig.
00:52:50 Sebastian Wallroth: Und zurzeit werden ja eher die Nachteile gesehen. Ich meine, der Mann ist ja bezahlt worden dafür, dass er diese Fotos gemacht hat. Und jetzt das Urheberrecht, ich setze schon wieder voraus, dass es in Österreich ähnlich ist, räumt ihm jetzt noch das Recht ein, dass 70 Jahre nach seinem Tod, ich weiß jetzt nicht, wie es in Österreich ist, seinen Nachfahren oder wem auch immer die Rechte dann zufallen, dass die dann auch noch Gebühren für die Benutzung des Fotos erhalten.
00:53:16 Thomas Planinger: Absolut.
00:53:18 Sebastian Wallroth: Das ist ja rechtlich erst mal eine interessante Konstruktion, dass man nicht für eine Leistung, die man jetzt erbringt, jetzt bezahlt wird, sondern in der Zukunft noch ein Entgelt kriegt, was auch von der Benutzung dann abhängig ist. Also, wie wertvoll es ist. Wie viel 1.000 oder wie viel/ wenn es 1.000-mal benutzt wird, kriegt man mehr Geld, als wenn es nur einmal benutzt wird. Und dann als Fotograf Fotos freizugeben, ist dann schon eine schwierige Sache. Weil man ja die ganze Nutzung der Zukunft dadurch verliert.
00:53:46 Thomas Planinger: Absolut. Und wir haben ihm das auch erklärt. Er hatte natürlich bereits einen Vertrag mit dem Verfassungsgerichtshof, der aber, wie Du richtig sagst, diese weitere Verwendung nicht unbedingt inkludiert hat, aber er war auch/ er hat auch sofort zugestimmt, dieser Verwendung. Und genau das macht ja auch dieses Praktikum oder diesen Wikipedian in Residence aus, freie Inhalte zu generieren beziehungsweise Inhalte, die bislang nicht frei waren, irgendwo freizusetzen und für die Wikipedia und für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Genau das ist in diesem Punkt auch passiert. Also diese Bilder kann jetzt jeder verwenden. Für jeglichen, auch kommerziellen, Zweck. Und egal, wie oft diese Bilder dann aufgerufen werden. Solange die Lizenzbedingungen eingehalten werden. Sprich, der Urheber genannt wird.
00:54:37 Sebastian Wallroth: In dem Fall muss der (unv. 00:54:37-4). Die große Angst ist ja immer, dass die Nazis das dann auch verwenden, aber ja, auch die dürfen das verwenden. Das muss eine Demokratie aushalten.
00:54:44 Thomas Planinger: Ja, richtig. Abgesehen davon, dass das mit den Nazis bei uns in Österreich sowieso strikter gehandhabt wird, als es in Deutschland ist, weil wir das NS Verbotsgesetz haben. Aber davon abgesehen.
00:54:59 Sebastian Wallroth: Das ist noch ein anderes Thema.
00:55:00 Thomas Planinger: Genau. Das ist noch ein vertieftes, wiederum auch verfassungsjuristisches, sehr interessantes Thema, aber das soll uns jetzt hier nicht weiter beschäftigen.
00:55:11 Sebastian Wallroth: Ja, schon. Aber hat das irgendeine Auswirkung in der Wikipedia?
00:55:14 Thomas Planinger: Es hätte durchaus Auswirkung in der Wikipedia, wenn es zu strafrechtlich relevanten Äußerungen kommen würde. Da gibt’s nämlich durchaus die Tatsache, dass in Österreich die Eingriffsschwelle der strafrechtlichen Sanktionen etwas niedriger anzusetzen ist, als es in Deutschland der Fall ist.
00:55:35 Sebastian Wallroth: Damit sind wir bei juristischen Themen in der Wikipedia. Da Du ja selber Jurist bist oder angehender Jurist, kannst Du sicher da ein paar Sachen erzählen dazu.
00:55:44 Thomas Planinger: Es ist grundsätzlich, also, wie ich bereits angesprochen habe, das Problem, dass sehr oft nur die deutsche Rechtslage gesehen und auch beschrieben wird in der Wikipedia. Wir in der Wikipedia haben natürlich ganz grundsätzlich ein juristisches Problem, auf das auch Kollegen bereits hingewiesen haben, nämlich das, dass wir uns an mehrere Rechtsordnungen zu halten haben, was unsere Inhalte anbelangt. Was vielen Leuten nämlich nicht bewusst ist, ist, dass die Server oder dass der Betreiber der Wikipedia die Wikimedia Foundation ist und diese Wikimedia Foundation eine Stiftung nach dem Recht des US Bundesstaats Florida ist und daher die Inhalte auch US-amerikanischem Recht unterliegen. Und das hört sich jetzt immer ganz schlimm an, wenn man von US-amerikanischen Recht spricht. Bedeutet aber in erster Linie, dass auch die verfassungsrechtlichen Garantien der Vereinigten Staaten für die Inhalte der Wikipedia auch gelten. Sprich, sehr weiter Begriff der Meinungsfreiheit, sehr weiter Begriff des Urheberrechts und so weiter. Daneben haben wir aber mindestens eine weitere, wenn nicht zwei weitere Jurisdiktionen, denen die Inhalte in der Wikipedia unterliegen. Zum einen die Jurisdiktion, der derjenige unterliegt, der die Inhalte abruft. Der Leser. Wenn ich als österreichischer Leser einen Wikipedia Artikel abrufe, dann unterliege ich selbstständig als rechtsunterworfener der österreichischen Juristik. Sprich, wenn ich Inhalte abrufe, die in Österreich einem Abrufverbot unterliegen, dann mache ich mich selbstverständlich strafbar. Das heißt, auch wir in der Wikipedia müssen darauf achten, dass bei uns keine Inhalte abrufbar sind, die in einzelnen Ländern zur Strafbarkeit führen können. Zum anderen aber unterliegt natürlich die Inhalte der Wikipedia (unv. weil Tonstörung 00:57:42-9) der Strafbarkeit oder der Jurisdiktion eines jeden Landes, in der sich die Schreiber der Wikipedia, also die Wikipedia Autoren, befinden. Denn, wenn ich einen Inhalt als Österreicher in die Wikipedia stelle, dann habe ich mich wiederum natürlich als Schreiber an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Auch, wenn diese Inhalte dann möglicherweise nur von Schweizern und Deutschen abgerufen werden. Aber auch ich darf als Österreicher keine Inhalte in die Wikipedia einbringen, die mich in Österreich strafbar würden. Wir haben also mehrere Rechtsordnungen, die einander überlappen. Und die wir alle zu berücksichtigen haben. Was es teilweise und mitunter recht schwierig macht, zu erkennen, welche Norm jetzt tatsächlich einschlägig ist, beziehungsweise, an was man sich halten muss. Der Grundsatz dahingehend ist tatsächlich immer, dass wir uns an die strengste Vorschrift zu halten haben. Also, wenn etwas in einem Land verboten ist und in allen anderen Ländern nicht, dann ist es auch in der Wikipedia als verboten zu betrachten. Um da kein Risiko einzugehen. Für niemanden. Weder für die Schreiber, noch für die Leser. Das macht es nicht gerade einfach, aber ich glaube der Kollege Gnom schreibt gerade an einer Arbeit, die es auch sehr schön beleuchtet und die da sehr starke Einblicke gibt. Er kann das auch wahrscheinlich noch besser erklären, als ich. Aber das sind Dinge, die uns als Wikipedianer, irgendwo auch beschäftigen müssen.
00:59:16 Sebastian Wallroth: Okay. Juristische Themen also in der Wikipedia unterliegen einmal der Schwierigkeit, dass sie mehrere Rechtsräume beachten müssen. Dann ist auch vermutlich ein Thema, dass es keine juristische Beratung sein darf.
00:59:33 Thomas Planinger: Richtig. Auch das ist eine/ wir weisen ohnehin am Seitenende jedes Artikels zu juristischen Themen darauf hin, dass Wikipedia keine Rechtsberatung ist. Das ist nämlich beispielsweise ein Sonderfall, der in manchen Rechtsordnungen, zum Beispiel in der deutschen und auch in der österreichischen eine Strafbarkeit oder mitunter eine Haftung hervorrufen würde, wenn sich jemand auf Wikipedia durch einen Wikipedia Autoren rechtsberaten lassen würde. Das ist sowohl in Deutschland, als auch in Österreich nämlich nur Rechtsanwälten gestattet. Und ruft unter Umständen auch eine Haftung hervor, wenn das ein nicht Rechtsanwalt macht. Deshalb darf die Wikipedia auch nicht irgendwelche individuellen Rechtsfragen beantworten, sondern da muss auch immer der Hinweis kommen „Bitte wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt, wenn Sie dazu eine verbindliche Antwort haben möchten“. Und zum anderen ist natürlich auch immer schwierig für den Leser abzuschätzen, wie valide sind jetzt die Informationen, die da drinnen stecken. Wikipedia ist immer mit einem Restrisiko behaftet, dass da eine veraltete Rechtslage oder gar eine falsche Rechtsmeinung drinnen steht. Und das führt natürlich auch zu dem Problem, dass Leserinnen und Leser sich unter Umständen getäuscht fühlen könnten durch Wikipedia Artikel. Daher ganz wichtig, Wikipedia bietet zwar einen in aller Regel sehr guten Überblick über Themen, aber gerade im Rechtsbereich empfiehlt es sich, wenn man konkret das für ein eigenes Rechtsproblem benötigt, dass man sich dann bitte, bitte, bitte, niemals auf der Wikipedia Artikel alleine verlassen sollte, sondern man kann sich das zur Information anschauen. Aber dann sollte man sich jedenfalls an einem dazu befugten Rechtsanwalt wenden.
01:01:22 Sebastian Wallroth: Also auch wichtig, dass Du das noch mal gesagt hast, dass es durchaus falsch sein kann, was da steht. Dass im überwiegenden Fall das aber eigentlich eine gute Information ist, aber es darf nie eine Grundlage für eine Handlung sein. Es ist ein guter Startpunkt, um in ein Thema reinzukommen, aber das gilt insgesamt für alle Wikipedia Sachen.
01:01:42 Thomas Planinger: Genau. Das gilt für alles. Das gilt grundsätzlich so. Ich empfehle auch jedem, der sich über Materialsicherheit in der Wikipedia informiert, sich da einen Überblick zu verschaffen, aber im Zweifelsfall, bevor gegen eine Handlung gesetzt wird, sich an einem Bautechniker, Physiker, was auch immer, zu wenden. Im Rechtsbereich kann ich das halt aus meiner Erfahrung und mit meiner Bildung bereits sagen, bitte jedenfalls sich zwar in der Wikipedia informieren, aber dann einen dafür befugten Rechtsanwalt aufsuchen.
01:02:17 Sebastian Wallroth: Vielleicht können wir auch aktuelle Sachen besprechen. Das Oberlandesgericht Köln hat gerade mal wieder festgestellt, dass ein Werk, das unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht wird, einen Wert von null Cent hat.
01:02:32 Thomas Planinger: Ja, das ist eine interessante Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Köln. Ich kenne den konkreten Anlassfall nicht, ich denke aber, dass es jedenfalls falsch ist, von einer Lizenzierung unter freier Lizenz auf den Wert eines Werkes zu schließen. Ich glaube, dass das ein Denkfehler ist, dem man vielleicht auch leicht unterliegen kann, aber einer ist, der so nicht zulässig sein sollte. Weil die Lizenzierung eines Werks alleine, noch nichts über die Werthaltigkeit eines Bildes oder irgendeines Kunstwerks aussagt. Dann wäre ja, in der Konsequenz, jedes einzelne öffentlich zugängliche Moment, jede einzelne öffentlich zugängliche Skulptur, die jeder für umsonst anschauen kann, auch mit einem Wert von vielleicht nicht 0 Euro, aber wenigen Cent behaftet, weil der Zugang dazu ja völlig frei ist für jeden. Also, ich glaube, dass diese Argumentation wahrscheinlich in der Kürze nicht richtig ist. Aber das Oberlandesgericht Köln wird sich damit vermutlich befasst haben. Es zeigt sich aber da auch ein ganz grundsätzliches Problem, das auch bei uns in Österreich hin und wieder vorkommt, dass nämlich die Informationen, die gerade auch ältere Richterinnen und Richter und auch gerade ältere andere in der Justiz tätige Personen über neue Entwicklungen, gerade auch im Urheberrechtsbereich, gerade im Internet haben, oft falsch oder verzerrt sind. Und da kann die Wikipedia durchaus noch Nachhilfe erteilen. Und vielleicht auch durch gezielte Informationen in unseren Artikeln versuchen, diesen Leuten Einblick zu geben. Es kommt auch immer wieder vor im Übrigen, dass in Gerichtsurteilen Wikipedia zitiert wird. Gerade, wenn es um Internetthemen geht.
01:04:23 Sebastian Wallroth: Ist auch kritisch, oder? Das zu machen.
01:04:25 Thomas Planinger: Es ist kritisch. Allerdings zeigt sich ein großer Vorteil der Wikipedia. Ich darf einen Fall aus Österreich kurz schildern, der am Oberlandesgericht Innsbruck entschieden wurde. In zweiter Instanz. Bei uns in Oberlandesgericht entscheiden immer erst in zweiter Instanz. Da ging es um eine Straftat tatsächlich, um ein Strafdelikt. Und zwar war das Verhetzung meines Wissens nach. Ein Benutzer, der also in einem Internetforum irgendeine beleidigende Äußerungen über türkische Mitbürger hinterlassen hat. Und hinter dieser Beleidigung hat er so einen Zwinker-Smiley gesetzt. Und der wurde in erster Instanz wegen Verhetzung verurteilt. Hat dann dagegen berufen und ist dann zum Oberlandesgericht Innsbruck gekommen. Und das Oberlandesgericht Innsbruck hat mit Verweis auf den Wikipedia Artikel zu Smileys angemerkt, dass ein Zwinker-Smiley hinter einer Aussage darauf hindeutet, dass die davorstehende Aussage ironisch gemeint war. Und daher der Tatvorsatz der Verhetzung nicht gegeben war. Es zeigt sich also, dass Gerichte sich insbesondere dann auch auf die Wikipedia berufen, wenn es um Themen geht, die spezifisch im Internet angesiedelt sind. Also sagen wir mal Pop-Kulturelle oder Internet-kulturelle Phänomene. Es ist auch etwas, was relativ verständlich ist, weil es wahrscheinlich recht wenig Abhandlungen außerhalb des Internets über Internetkultur geben dürfte, die genau spezifisch aussagen, wie jetzt dieses Emoticon oder dieser Smiley zu verstehen ist.
01:06:11 Sebastian Wallroth: Also die Gerichte gestehen der Wikipedia Kompetenz in Sachen Internet zu, könnte man das zusammenfassen.
01:06:18 Thomas Planinger: Ja, ja, richtig. Und auch, sie gestehen der Wikipedia Kompetenz in Sachen Internet zu und auch in Pop-kulturellen Themen. Wenn man sich anschaut, wo überall Wikipedia zitiert wird, dann sind das sehr oft Themen, die nicht in klassischer wissenschaftlicher Literatur abgehandelt werden, um es mal so auszudrücken. Also, wenn es um die Frage geht, welcher Schauspieler von wann bis wann mit welcher anderen Schauspielerin verheiratet war, dann wird sehr oft auf die Wikipedia zurückgegriffen und auf den dortigen Wikipedia Artikel verwiesen. Weil es nun mal Dinge sind, die nicht in der wissenschaftlichen Standardliteratur abgehandelt werden.
01:06:57 Sebastian Wallroth: Okay. Ich danke Dir für dieses Gespräch. Ich habe eine Menge gelernt wieder. Das ist ja der Vorteil bei diesen Gesprächen, dass man sich nicht nur nett unterhält und die Zeit vertreibt, sondern auch noch was lernt. Und Du machst auch tolle Sachen. Also, ich bin ziemlich begeistert. Ich hoffe, man hört noch ein bisschen was von Dir im Wikipedia Umfeld.
01:07:16 Thomas Planinger: Ja, vielen Dank.
01:07:18 Sebastian Wallroth: Schön neugierig bleiben und, ja, Tschüss.
01:07:21 Thomas Planinger: Ja, Tschüss. Vielen Dank. Schönen Abend noch.
01:07:23 Sebastian Wallroth: Ja, Dir auch.